Er hat die NNN geprägt wie kaum ein anderer: Wolf-Dietrich Gehrke. Zum 70-jährigen Jubiläum der Rostocker Heimatzeitung gewährt der 86-Jährige Einblicke in ein bewegendes Journalistenleben.
Sein Leben ist wie das von keinem anderen mit den Norddeutschen Neuesten Nachrichten verbunden: Wolf-Dietrich Gehrke. 1955 stieg der heute 86-Jährige bei den NNN ein – da war die Zeitung gerade mal zwei Jahre alt. Die NNN prägten ihn und er prägte die NNN, denn von 1974 bis 1993 war Wolf-Dietrich Gehrke NNN-Chefredakteur. Ihm ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Rostocker Heimatzeitung in den Wirren der Wendezeit nicht unterging. „Die NNN waren mein Leben als Journalist“, sagt er rückblickend.
Journalismus gehört nicht nur untrennbar zu seinem Leben dazu, sondern auch zu dem seiner Frau. Karin Gehrke war 40 Jahre Redakteurin bei der Ostsee Zeitung in Rostock. Zuletzt war sie Ressortleiterin Wirtschaft, bis sie 1999 in den Ruhestand ging. „Wir haben natürlich auch Zu Hause immer viel über die Arbeit gesprochen“, erzählt Karin Gehrke, die dieses Jahr 45 Jahre mit ihrem Mann verheiratet ist. Ihre professionelle Einschätzung der Arbeit ihres Mannes: „Er war immer sehr beharrlich, ist den Dingen auf den Grund gegangen und an den Geschichten dran geblieben.“ Für einen Journalisten ein großes Lob.
Gerne habe er Reportagen geschrieben. „Wenn er vor Ort war und darüber geschrieben hat, dann war es immer lebendig. Man hat gemerkt, dass es ihm Spaß macht“, erzählt Karin Gehrke. Als Chefredakteur habe er dann verstärkt Kommentare geschrieben. Die Menschen in Rostock waren Wolf-Dietrich Gehrke immer wichtig, für sie wollte er Zeitung machen, auch wenn die NNN damals das Parteiblatt der NDPD waren, der National-Demokratischen Partei Deutschlands, einer Blockpartei in der DDR. „Wir waren mit den NNN immer ganz nah am Volk dran“, sagt er zufrieden.

Geboren in Stettin, kam Wolf-Dietrich Gehrke 1945 nach Rostock. Er studierte Ingenieur-Ökonomie und absolvierte zusätzlich eine Fachschule für Journalistik. Dann startete er 1955 seine journalistische Karriere bei den NNN. „Zunächst als freier Mitarbeiter, ich habe alle Ressorts durchlaufen“, erzählt er. 1974 wurde er dann zum Chefredakteur berufen. Damals gab es neben der OZ und den NNN noch zwei weitere Zeitungen in Rostock: die Norddeutsche Zeitung und „Der Demokrat“. Gehrke erinnert sich: „Wir hatten damals in Rostock zwischen den Journalisten – egal welche Zeitung – immer ein gutes Verhältnis.“
In der Wendezeit um den Erhalt der NNN gekämpft
In der Wendezeit 1989/90 kam die große Stunde von Wolf-Dietrich Gehrke. „Sofort haben uns Leute aus dem Westen die Türen eingerannt und wollten uns kaufen“, sagt er. Der große Springer-Verlag wollte die NNN haben, nachdem Springer bereits die OZ übernommen hatte. Gehrke schritt ein. „Das hätte bedeutet, dass die NNN von der OZ geschluckt werden“, sagt er. Gehrke aber wollte die NNN unbedingt als eigenständiges Blatt erhalten. „Wir haben uns selbst in die Spur nach potenziellen Käufern begeben.“
Schließlich gab es gute Kontakte zum bundesweit bedeutenden Bauer-Verlag, der damals auf Einkaufstour in der DDR war. Bauer übernahm unter anderem auch die Schweriner Volkszeitung und die NNN. „Wir bekamen dann moderne Technik und wurden auch technisch mit der SVZ zusammengelegt, blieben aber weitgehend unabhängig“, berichtet Gehrke. 1992 verkaufte Bauer dann die SVZ und die NNN an den Burda-Verlag. Doch da war die Existenz der NNN bereits gesichert, trotz massiver personeller Einschnitte und Veränderungen. „Ich habe dafür gekämpft, dass die NNN überleben“, sagt Gehrke.
Journalisten-Ehepaar verfolgt aufmerksam das politische Geschehen
Darauf blickt der Vollblutjournalist noch heute mit Stolz zurück. Mit seiner Frau frönt der 86-Jährige zudem seinem liebsten Hobby: dem Lesen. Die Bücherregale in ihrer Wohnung am Rostocker Stadthafen sind prall gefüllt. „Ich lese vor allem politische Bücher und Krimis“, sagt die 82-jährige Karin Gehrke. „Ich mag keine Krimis“, ergänzt ihr Mann. Am aktuellen politischen Geschehen ist das Journalisten-Ehepaar natürlich weiterhin interessiert. Auf dem Tisch liegen die NNN. „Mit dieser Zeitung war ich mein ganzes Leben verbunden“, sagt Wolf-Dietrich Gehrke. „Es hat mich froh gemacht, wenn Leser von sich aus auf mich zugekommen sind und gesagt haben, dass ihnen meine Artikel gefallen haben.“