Hansa-Vorstandsboss Robert Marien bilanziert die Saison 2016/17, rechnet mit Ex-Coach Christian Brand ab und gibt einen Ausblick auf den Kurs für die neue Spielzeit
Mit dem Landespokalfinale ging gestern die Saison 2016/17 für den Fußball-Drittligisten FC Hansa zu Ende. Die NNN-Redakteure Marie Boywitt und André Gericke sprachen mit FCH-Vorstands-Chef Robert Marien über die abgelaufene Spielzeit.
Wie schätzen Sie die Saison 2016/17 ein?
Robert Marien: Das kommt immer darauf an, welche Erwartungshaltung man am Anfang hatte. Unsere war: eine ruhige Saison in allen Bereichen – gerade auch im Sport. Das bedeutete konkret, dass wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben und zudem eine Weiterentwicklung sehen wollten. Mit den vier Winter-Neuzugängen haben wir das Saisonziel dann entsprechend angepasst, indem wir gesagt haben, wir machen einen Vorgriff auf die nächste Saison und wollen uns effektiv verstärken. Wenn man das alles zusammen nimmt, kann man mit 46 Punkten und Tabellenplatz 15 absolut nicht zufrieden sein. Sicherlich hatten wir nie wirklich etwas mit dem Abstieg zu tun, eine Entwicklung in die richtige Richtung habe ich im sportlichen Bereich allerdings nicht gesehen.
Das führte zur Trennung von Trainer Christian Brand. Wie beurteilen Sie im Nachhinein die Verlängerung seines Vertrages bis 2019 im Winter?
Wir haben im Vorstand und Aufsichtsrat einstimmig entschieden, auch ich habe meine Hand gehoben. Von daher stehe ich in der Verantwortung und muss sagen, dass das ein Fehler war, den wir jetzt korrigiert haben.
Warum kam es zur Trennung zwei Pflichtspiele vor dem Saisonende?
Wir haben es Christian Brand freigestellt, ob er die Saison beenden möchte. Unser Wunsch wäre gewesen, dass er mit einem Landespokal-Sieg durch die Vordertür geht. Er hat sich aus verschiedenen Gründen dagegen entschieden.
Mit Pavel Dotchev ist nun ein erfahrener Trainer an Bord. Wie lauten die Ziele?
Wir wollen in den nächsten zwei Jahren hoch in die 2. Liga. Dazu haben wir uns die finanziellen Mittel erarbeitet, so dass wir vier Millionen Euro in den Spieler-Etat geben. Das heißt nicht, dass wir das Geld ohne Konzept oder Plan ausgeben wollen.
Ist das eine Erhöhung im Vergleich zur vorigen Saison?
Wir sind 2016/17 mit einem Etat in Höhe von 3,5 Millionen Euro gestartet. Im Vergleich zur Vorsaison, und damit unserem Amtsantritt, war dies bereits eine Steigerung um zirka zehn Prozent. Im Winter haben wir dann noch einmal auf 3,7 Millionen aufgestockt. Das war auch der guten Nachlizenzierung geschuldet. Wobei man sagen muss, dass die 3,7 Millionen Euro am Ende nicht komplett ausgeschöpft wurden.
Warum sind Sie so zuversichtlich, dass vier Millionen Euro reichen, um den Aufstieg möglich zu machen?
Dazu muss man sich anschauen, wie viel Budget die anderen Vereine zur Verfügung haben, und hier vor allem, mit welchem Etat die Vereine in den vergangenen Jahren aufgestiegen sind. Bis auf Ausreißer wie Würzburg brauchten diese Mannschaften immer um die vier Millionen Euro. Dies ist ungefähr die finanzielle Größe, die man auch im Hinblick auf die Punktprämien braucht. Viel wichtiger ist aber eine andere Kennzahl: Was geben Vereine in der 3. Liga durchschnittlich für einen Punkt aus? Im Mittel waren das in den letzten Jahren rund 55 000 bis 70 000 Euro. Hansa hingegen hat die vergangenen Jahre immer über diesem Durchschnitt gelegen, teilweise fast 100 000 Euro für einen Punkt investiert. Hier gibt es ein Delta, das bereinigt werden muss. Was der Verein in den jüngsten Jahren verkehrt gemacht hat, ist, dass zu viel Grundgehalt und zu wenig Punktprämien gezahlt wurden. Das Verhältnis ist bei uns etwa bei 80:20, bei anderen erfolgreichen Teams liegt es bei 70:30, und bei Ausreißern wie Würzburg waren es sogar 60:40. Das zeigt, dass die monetäre Entlohnung auch zur Siegermentalität beiträgt.
Erneut soll es eine Etatlücke von rund einer Million Euro geben – stimmt das?
Die Zahl möchte ich nicht genau kommentieren, aber Folgendes dazu: Man darf die Lücken von Vereinen nicht so einfach vergleichen. Das Gebilde von Hansa Rostock ist in vielen Teilen anders als bei anderen Drittligisten. So gehört uns das Stadion, und dieses müssen wir selber bewirtschaften. Bei vielen anderen Konkurrenten gehört die jeweilige Spielstätte städtischen Unternehmen, und die Vereine erhalten quasi eine teilweise subventionierte Miete. Allein aus diesem Umstand heraus haben wir auch einen ganz anderen Gesamtumsatz. Des Weiteren haben wir in der nächsten Spielzeit den Einmaleffekt für die Rückzahlung der Fan-Anleihe von 2011 mit zirka 500 000 Euro zu berücksichtigen. Diese muss man erst einmal abziehen, um die strukturelle Lücke zu erfassen. Hinzu kommt die Summe für den Landespokalsieg und die damit verbundene Qualifikation zum DFB-Pokal. Diese Summe ist quasi eingefroren und beträgt etwa 250 000 Euro. Darüber hinaus gab es noch Unklarheiten zum Mikrosponsoring. Der Deutsche Fußball-Bund hat die durch das Konsolidierungspaket II verhandelte Garantiesumme mit Infront und das Mikrosponsoring quasi in einen Topf geworfen und es nicht extra berücksichtigt. Wir haben jetzt durch einen Wirtschaftsprüfer nachgewiesen, dass das Mikrosponsoring etwas Eigenständiges ist. Von daher wird die Lücke auch hier noch etwas kleiner.
Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Suche nach einem neuen Hauptsponsor?
Beim Hauptsponsoring sind uns mehrere Aspekte wichtig. Einer ist dabei, dass unsere Brust marktgerecht vermarktet wird. Aus unserer Sicht ist Hansa nicht irgendwer bei diesem Thema, dieses Selbstbewusstsein haben wir. Auch aufgrund dieses Aspektes können wir zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass wir relativ weit sind. Wir haben einen Plan A, den wir aktuell verfolgen, sollte dieser nicht klappen, verfolgen wir Plan B weiter. Konkret geht es um einen überregionalen Partner und einen regionalen Kandidaten. Beim überregionalen Kandidaten kann man davon ausgehen, dass Verträge nicht nur in Deutsch geschrieben werden und allein aus handwerklicher Sicht eine gewisse Zeit ins Land streicht. Bis Ende Mai wollen wir aber im Idealfall Klarheit haben.
Trotz schwacher Heimbilanz blieben die Fans bei der Stange. Sind Sie zufrieden mit dem Zuschauerschnitt im Ostseestadion?
Wir kalkulieren mit mehreren Zahlen. Zum einen die, die im Lizenzierungsverfahren anerkannt wurde, zum anderen gibt es interne Zielvorstellungen, die entsprechend höher liegen. Bei diesen internen Zielen sind wir bei plus minus null aus der Saison gekommen. Das ist deswegen beachtlich, weil wir ein Geisterspiel hatten. Wir kalkulierten insgesamt mit etwas mehr als 210 000 Besuchern allein bei den Drittliga-Partien, und diese Zahl haben wir erreicht. Das zeigt den großen Rückhalt in der Fangemeinde zum Verein.
Nach dem Geisterspiel kam in Zwickau erneut Pyrotechnik im Fanblock des FC Hansa zum Einsatz. Gibt es schon eine Mitteilung des DFB? Ist ein Punktabzug ein realistisches Szenario?
Wir sind in intensiven Gesprächen mit dem DFB. Es ist aber schon so, dass nach einem Geisterspiel irgendwann laut Strafstatuten der Punktabzug relevant wird. Und das sollte sich jeder Fan, bei aller Einstellung, die er zu Pyro hat, überlegen, ob es das wert ist.
In den vergangenen Tagen geriet Aufsichtsratsmitglied Rainer Lemmer in die Kritik, er würde sich in den sportlichen Bereich einmischen. Wie sehen Sie das?
In dem Moment, als Markus Kompp zurückgetreten war, waren wir zum einen im Vorstand lediglich zu zweit und ohne Vorsitzenden, zudem
hatten wir auch keinen Sportdirektor. Daher hatte Rainer Lemmer, nach Rücksprache mit dem Aufsichtsrat, vom Vorstand den Auftrag, entsprechend zu unterstützen, um vorübergehend das Vakuum zu füllen. Dies war also in dem Moment eine gewollte Einmischung, weil es eine Vakanz gab und er zum damaligen Zeitpunkt die sportliche Kompetenz im Aufsichtsrat darstellte. Zudem muss man sagen, dass Rainer Lemmer bereits bei der Trainersuche im Dezember 2015 unterstützt hatte. Wir hatten sowohl sportlich als auch finanziell eine schwierige Zeit und zudem deutschlandweit mit der Negativ-Berichterstattung zu kämpfen. Der Beschluss zur Unterstützung endete, als René Schneider sein Amt antrat. Die operative Rolle von Rainer Lemmer wurde in den vergangenen Wochen und Monaten doch etwas verzerrt dargestellt, und die Kritik ist aus meiner Sicht deutlich überzogen.